Wohnung SS-Angehöriger : Dresden A.1, Wiener Straße 34

Im Gebäude "Wiener Straße 34" wohnte vor 1945 der Regierungsrat, SS-Führer und spätere Adelskundler Thomas Freiherr von Fritsch-Seerhausen (1909-2006).
Thomas von Fritsch, ca.1936 (Q:NARA)
Herkunft.
Er wurde als 1. Kind des ehemaligen Ulanenoffiziers und Rittmeisters a.D. Alexander von Fritsch am 7.11.1909 in Chemnitz geboren. Nachdem Alexander von Fritsch im April 1914 aus dem Militärdienst entlassen wurde, verzog die Familie nach Leipzig. Hier erhielt Thomas von Fritsch seinen ersten Unterricht in Vor-und Volksschule.
Umzug nach Dresden.
Während des 1.Weltkrieges, im Jahr 1916, nahmen seine mütterlichen Großeltern ihn zu sich nach Dresden. Sie wohnten in einer Villa südlich des Großen Gartens. Es handelte sich dabei um das Wohnhaus in der "Wiener Straße 34".
Luftaufnahme Parkstraße und Wiener Straße (Q: Dt. Fototh. bika100_719)
Hier verbrachte Thomas von Fritsch seine weitere Kindheit und Jugendzeit. Eigentümer des Grundstückes war die Holberg-Stiftung. Ab 1917 findet sich im Dresdner Adreßbuch Alexander von Fritsch als Wohnungseigentümer verzeichnet. Bis zur Zerstörung im Februar 1945 bleibt diese Wohnung der Lebensmittelpunkt von Thomas von Fritsch und seinem Vater. In unmittelbarer Nachbarschaft befanden sich in unterschiedlichen Zeitabschnitten SS-bzw. NSDAP.-Dienststellen, was der folgende Kartenausschnitt verdeutlicht.
Lage Haus Wiener Str. 34 u. NSDAP.-bzw. SS-Dienststellen (Q: SLUB, Stadtplan Dresden 1938)
In Dresden besuchte Thomas von Fritsch 9 Jahre die Dreikönigsschule (Reformrealgymnasium). Während seiner Schulzeit betätigte sich Thomas von Fritsch in der Jugendbewegung, u.a. im Nerother Wandervogel. Im Jahr 1928 erlangte er die allgemeine Hochschulreife mit dem Abitur.
Studienzeit.
Thomas von Fritsch studierte Rechtswissenschaften 1928 in Kiel, 1929/30 in Heidelberg und 1930-33 in Leipzig.
In einem Buch über den Juristen Erwin Jacobi (1884-1965) findet man einen Hinweis auf eine Begebenheit aus seiner Heidelberger Studentenzeit. Hier soll es ein Duell zwischen Hans Pieper (1902-?), dem späteren SS-Führer und Geschäftsstellenleiter des Amtes IV im RSHA. (Gestapa.), und Thomas von Fritsch gegeben haben: Hans Pieper sei „als Freistudent für seine Überzeugung sogar soweit eingetreten, dass er eine schwere Säbelpartie gegen den damaligen Führer des NSDStB [Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund], Thomas Freiherr von Fritsch (Saxo-Borussia Heidelberg) gefochten hat.“. Die Studentenverbindung Saxo-Borussia Heidelberg nennt den Zeitraum 1929/30 als die Aktivenzeit von Thomas von Fritsch. In einem Lebenslauf beschreibt sich Thomas von Fritsch selbst als Mitbegründer der nationalsozialistischen Hochschulgruppe Heidelberg. Gleichzeitig soll er dem Weißen Kreis des Corps Saxo-Borussia Heidelberg angehört haben.
An der Universität Leipzig schloß er am 20.6.1933 sein Studium mit dem ersten juristischen Staatsexamen ab.
Politische Aktivitäten.
Mit 19 Jahren erfolgte sein Eintritt in die NSDAP. Seinen politischen Werdegang vor 1933 fasst Thomas von Fritsch im Jahr 1936 folgendermaßen zusammen: „[…] Ohne mich vorher anders politisch betätigt zu haben, wurde ich am 1.4.1929 unter P.Nr. 123.982 [P. Nr. = Parteiausweis-Nummer] in die NSDAP aufgenommen und kurz darauf in die SA. Seit 1930 wurde ich in mehreren Hundert Versammlungen der NSDAP und HJ als Gauredner Sachsen der NSDAP und Reichsredner HJ eingesetzt. Außer verschiedenen Ämtern im NSDStB und in der NSBO wurde ich am 6.Juni 1930 Gauführer Sachsen des NS Schülerbundes [abgekürzt NSS]. Am 1.Oktober 1931 erhielt ich dazu den Gau Schlesien und wurde Gauverbandsführer Südost des NSS. Vom 20.3.1932 – 31.7.1932 war ich Reichspropagandaleiter HJ. […]“. In diesem Zeitraum war als Reichsführer des NSS. und der Hitlerjugend Adrian von Renteln (1897-1946) Vorgesetzter von Thomas von Fritsch.
SS-Angehörigkeit.
Thomas von Fritsch gehörte seit Oktober 1932 der Allgemeinen SS an. Er wurde am 12.12.1932 als SS-Mann bestätigt und erhielt die SS-Ausweisnr. 45.163. Nebenberuflich führte er verschiedene Einheiten der Allgemeinen-SS in Ostsachsen.
Eintragung in SS-Dienstaltersliste 1938
Im Juni 1943 schreibt Thomas von Fritsch über seine Tätigkeit in der Allgemeinen-SS: "[...] In der SS war ich Standartenschulungsleiter der 48.SS-Standarte [noch während seiner Studienzeit in Leipzig], Sturmbannadjutant II/46 [Ah. Dresden] und I/46 [Ah. Bautzen], Führer des 7/46 [Lk. Dippoldiswalde] und des 4/46 [Lk. Pirna] und zuletzt Führer II/46. [...]"
Autograph Oktober 1938 (Q: ÖStA Wien)
Und weiter schreibt er: "[...] Zur Zeit [1943] bin ich als Führer dem Stab des Höheren SS-und Pol. Führers Ostland [Führer war Friedrich Jeckeln] zugeteilt. [...] Hauptamtlich war ich nie angestellt. [...] Eine SS-Dienststellung besitze ich im Augenblick leider nicht. [...]". Sein letzter SS-Dienstgrad war SS-Hauptsturmführer. Er war Inhaber des sogenannten Ehrenringes des Reichsführer-SS.
Berufliche Laufbahn bis 1939.
Als Gerichtsreferendar im Vorbereitungsdienst begann Thomas von Fritsch am 1.9.1933 seine berufliche Tätigkeit. Am 26.1.1938 legte er das 2.juristische Staatsexamen ab und war ab dem 1.7.1938 Assessor beim Landrat in Dresden angestellt.
Militärische Ausbildung und 2.Weltkrieg.
Im 2.Weltkrieg war Thomas von Fritsch in einer Artillerieeinheit des Heeres sowie ab 1944 in der Waffen-SS eingesetzt.
Regierungsrat in Litauen.
Im Herbst 1941 erhielt Thomas von Fritsch eine Unabkömmlichkeitsstellung [UK.-Stellung]. Er wurde aus dem aktiven Militärdienst entlassen. Durch einen persönlichen Kontakt zu Adrian von Renteln, ihn kannte Thomas von Fritsch bereits seit Ende der 1920er Jahre aus seiner politischen Tätigkeit, wurde er am 5.9.1941 durch das Reichsministerium des Innern nach Kauen (Kaunas) als Regierungsrat zur Zivilverwaltung des sogenannten "Generalkommissar für Litauen" abgeordnet. Thomas von Fritsch übernahm die Aufgabe eines Abteilungsleiters für Allgemeine und Innere Verwaltung (Abteilung IIc). Leiter der Hauptabteilung II, war Karl Nabersberg (1908-1946), welcher ebenfalls vor 1933 in NSDStB und HJ. aktiv war. Im Zuständigkeitsbereich von Thomas von Fritsch befanden sich u.a. auch die Gerichtsabteilung sowie die Aufgabe der Rücksiedelung der Litauendeutschen.
Während seiner Zeit in Kauen gehörte Thomas von Fritsch der NSDAP.-Ortsgruppe als Schulungsleiter an. Der folgende Zeitungsbericht gibt hierzu einen Einblick.
Zeitungsausschnitt Kauener Zeitung, 6.12.1941
Im August 1944 war Thomas von Fritsch an der Auflösung des Generalkommissariat Litauen in Swinemünde beteiligt. Er besaß die Funktion eines Abwicklungsbeauftragten.
Am 13.4.1961 wurde Thomas von Fritsch durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt in Düsseldorf wegen seiner Tätigkeit in Litauen befragt. Er gab u.a. an, daß er sich an die Dienststelle des SS-und Polizeiführers (SSPF.) in Kauen erinnere. Der SSPF. für Litauen war Lucian Wysocki (1899-1964). Bekannt waren Thomas von Fritsch u.a. folgende Angehörige des Stabes des SSPF. Litauen: Karl Jäger (BdS. Litauen), Dr. Wilhelm Fuchs (KdS. Litauen, Absolvent der Universität Leipzig und SD.-Führer in Dresden) und Heinrich Schmitz (stellv. Chef d. Gestapo. Litauen).
Nachkriegszeit.
Nach 1945 lebte Thomas von Fritsch u.a. in München, Bremen, Dortmund, Siegen, Düsseldorf und ab Juli 1965 in Schwäbisch Gmünd. Anfangs studierte er Chemie, betätigte sich 4 Jahre als Handelsvertreter von pharmazeutischen Produkten, arbeitete als Prokurist sowie als Abteilungsdirektor in der Mannesmann AG und übernahm schließlich die Leitung der Fa. May-Pressenbau GmbH in Schwäbisch Gmünd. Im Jahr 1971 trat Thomas von Fritsch in den beruflichen Ruhestand.
Tätigkeit als Adelskundler.
Portraitbild ca. 2000 (Q: Dt. Adelsblatt 2006)
Thomas Freiherr von Fritsch-Seerhausen verstarb kurz nach seinem 97. Geburtstag in Schwäbisch-Gmünd. Die Urnenbeisetzung erfolgte in Dresden.
Todesanzeige im Dt.Adelsblatt, Jg.2006